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Deß H. Römischen Reichs von Gott eingesegnete FriedensCopulation, 1635 (München, Bayerische Staatsbibliothek, Einbl. V,8 a-94), CC BY-NC-SA 4.0
Der Prager Frieden von 1635 als Argument
Gescheiterter Frieden oder Referenzfrieden auf dem Westfälischen Friedenskongress?
Am 30. Mai 1635 wurde zwischen Kaiser Ferdinand II. (1578-1637) und Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen (1585-1656) der Prager Frieden geschlossen. Verbunden damit war die Hoffnung, dass der seit 1618 andauernde Krieg im Reich nun ein Ende finden würde. Kaiser und Kurfürst sahen im Prager Frieden einen tragbaren konfessionellen Kompromiss und die Wiederherstellung der alten Reichsverfassung. Durch die Reform des Militärwesens sollten mit neuer Schlagkraft diejenigen zur Raison gebracht werden, die den Prager Frieden nicht akzeptierten. Diese Drohung richtete sich einerseits gegen renitente Reichsstände, vor allem aber gegen Schweden, das seit 1630 Krieg im Reich führte.
Heute ist bekannt, dass die Um- und Durchsetzung des Prager Friedens nicht gelang. Schweden konnte nicht besiegt werden und wurde durch das militärische Eingreifen Frankreichs noch verstärkt. Einige Reichsstände blieben renitent und für viele von diejenigen, die dem Vertrag beigetreten waren, blieb er ein ungeliebter Kompromiss, sodass bald Nachbesserungen gefordert wurden.
In der Geschichtswissenschaft ist der Prager Frieden zum Paradebeispiel eines gescheiterten Friedens geworden, der als Negativfolie für die Erfolgsgeschichte vom Westfälischen Frieden, dem geschickten diplomatischen Ausgleich von hochkomplexen Konfliktlagen, ein Schattendasein fristet. Doch seit kurzem führt die steigende Skepsis gegenüber der Dominanz von Erfolgsgeschichten Historiker:innen zu einem vermehrten Interesse am Scheitern in der Geschichte. Parallel dazu hat die Forschung betont, dass der Westfälische Frieden zusammen mit den fünfjährigen Verhandlungen in Münster und Osnabrück nicht als geschlossenes Ereignis gesehen werden kann, sondern in ein den gesamten Dreißigjährigen Krieg begleitendes Ringen um den Frieden eingeordnet werden muss.
Das Forschungsprojekt fragt an diese Entwicklungen anknüpfend danach, wie der Kaiser und Kursachsen zur Zeit des Westfälischen Friedenskongresses damit umgingen, dass der Prager Frieden ihnen einerseits als gültiger Reichsfrieden galt, an den sie gebunden waren, und andererseits kaum noch um- und durchsetzbar schien, also als gescheitert betrachtet werden konnte. Da der Prager Frieden Ausdruck zentraler politischer Ordnungsvorstellungen dieser beiden Akteure war, stellt seine Nichtverwirklichung zusätzlich deren Selbst- und Rollenverständnis infrage. Somit drohten nicht nur der Prager Frieden, sondern Kaiser und Kurfürst an sich als politisch gescheitert zu gelten.
Als Beitrag zur Historischen Friedensforschung soll das Projekt Erklärungsansätze bieten, wie die omnipräsente Möglichkeit des Scheiterns zentrale politische Akteure in deren Agieren in einem Friedensprozess beeinflusst.
Projektleitung
Bearbeitung
Projektförderung
2023-2026: Deutsche Forschungsgemeinschaft
Veranstaltungen
Workshop: Politisches Scheitern in der Frühen Neuzeit. Wahrnehmung – Repräsentation – Folgen (Marburg, 13.-15.06.2024) Tagungsbericht