Institut

für Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit (IKFN)


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Handbuch des personalen Gelegenheitsschrifttums in europäischen Bibliotheken und Archiven

Ausgangslage

Das ›Schreiben bei Gelegenheit‹ als Gratulation oder Kondolation zu verschiedensten Anlässen war ein üblicher und weit verbreiteter Brauch in der Frühen Neuzeit. Es entstanden zahllose Einzel- oder Sammeldrucke von zumeist geringem Umfang und jeweils kleiner Auflage, deren Adressaten und Autoren  heute in aller Regel vergessen sind. Im Zeichen der Empfindsamkeit verlor die stark rhetorisch gebundene Gattung gegen Ende des 18. Jahrhunderts an Attraktivität und Wertschätzung.

Als Pflichtexemplar der Druckereien oder über Schenkungen und Nachlässe von Sammlern in Bibliotheken und Archive gelangt, waren die Bestände oft nur kursorisch erschlossen; für lange Zeit blieben sie eine Domäne von wenigen an genealogischen und regionalhistorischen Fragestellungen Interessierten. Erst im Zuge der Ausweitung des Literaturbegriffs in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurde auch diese Textsorte von der literaturgeschichtlichen Forschung rehabilitiert.

Schon aufgrund ihrer zumeist stark lokalen bzw. regionalen Prägung und Verwahrung waren die kasualen Drucke nicht selten weltweit unikat. Verluste etwa durch Brände oder Kriegseinwirkungen haben im Laufe der Zeit dazu geführt, daß das noch immer nach Zehntausenden zählende Gelegenheitsschrifttum heute nurmehr jeweils in wenigen Exemplaren vorhanden ist. Zudem erschweren – insbesondere im östlichen Europa – Verlagerungen in der Folge des Zweiten Weltkriegs die Zuordnung von Provenienzen und die Rekonstruktion historischer Sammlungen.

Druck aus der Spezialbibliothek des Archivwesens in Riga.

Forschungsansatz

Forschungsreisen durch ganz Europa, vor allem aber in die DDR, nach Polen und in die Sowjetunion, haben dem Projektleiter Klaus Garber in den 70er und 80er Jahren vielfältige Einblicke in die Überlieferungssituation der Gattung gewährt. In den Blick geriet dabei insbesondere das zu unmittelbaren Anlässen im Leben eines Menschen entstandene personale Gelegenheitsschrifttum, von Geburt und Taufe über Reisen, akademische Abschlüsse, Hochzeiten, Krankheiten und Genesungen bis zum Tod.

Anfang der 90er Jahre wurde zunächst in der  Universitätsbibliothek Breslau  eine Pilotstudie gestartet, der dann – wiederum gefördert durch die VolkswagenStiftung – ein mehrjähriges Projekt folgte, das insgesamt rund 30 Bibliotheken und Archive in Deutschland, Polen, den baltischen Ländern und Rußland einbezieht.

Das Gelegenheitsschrifttum bietet reichhaltige Möglichkeiten, personelle und gelehrte, transnationale und transkonfessionelle, polyglotte und polysemantische Verflechtungen im Zeitraum zwischen Späthumanismus und Empfindsamkeit (1560/70 – 1730/40) zu erschließen; wie keine andere Gattung ist es geeignet zur Rekonstruktion kultureller Kommunikationsformen und -prozesse. Insofern geht die materialerschließende Grundlagenforschung im Projekt eine Verbindung mit der kulturgeschichtlichen Mentalitätsforschung ein. Von der ausstehenden deutschen Nationalbibliographie bis hin zur Ideen- und Bewußtseinsgeschichte kommt es damit der geschichtlichen Frühneuzeitforschung insgesamt zugute.

Magazin der Estnischen Akademischen Bibliothek, © Privatfoto Martin Klöker.

Projektdurchführung

Vorrangiges Ziel des Projektes ist es, die heute noch erhaltenen Drucke der Forschung sowohl im Volltext als auch in einer aufbereiteten katalogischen Form zur Verfügung zu stellen. Dazu wurde das Material in  einem ersten, arbeitsintensiven Schritt in den beteiligten Bibliotheken und Archiven per Katalogdurchsicht und anschließender Autopsie oder auch direkt am Regal ermittelt und mikroverfilmt. Die technischen Voraussetzungen für diese Verfilmungsarbeiten mußten kurz nach der politischen Wende in Osteuropa zum Teil erst noch geschaffen werden. Daran schloß sich die bis heute andauernde Phase der – weit über eine bloße bibliothekarische Verzeichnung hinausreichenden – computergestützten Erschließung und Publikation an.

Präsentiert werden die Ergebnisse zunächst in gedruckter Form im ›Handbuch des personalen Gelegenheitsschrifttums in europäischen Bibliotheken und Archiven‹, das seit 2001 sukzessive im Georg Olms Verlag erscheint. Insgesamt elf Register ermöglichen vielfältige Zugänge zu den Beständen: Autoren, Komponisten, anlaßstiftende und angesprochene Adressaten, sonstige Personen, Drucker und Verleger (alphabetisch und nach Druckorten), Anlaßorte, Anlässe, poetische Formen, Sprachen. Ein Datenbankzugriff über das Internet als Gesamtregister für die bislang erschienenen Bestände ist ebenso in Vorbereitung wie eine Biographische Datenbank zur Auswertung der erfaßten Namensangaben.

Neben die katalogische Erschließung tritt die Volltext-Edition der Kasualdrucke auf Mikrofiches, die parallel zu den Handbuch-Bänden erscheint. Darüber hinaus entstehen projektbegleitend wissenschaftliche Aufarbeitungen aus verschiedenen Perspektiven in Form der bibliotheksgeschichtlichen Einleitungen und Bibliographien zu den Bänden sowie in monographischer Gestalt.